Nur 2 Stunden Schlaf bekam ich heute Nacht. Und dabei steht heute ein anstrengender 40km Marsch auf meinem Plan. Zeit, ein paar Lebensgeister zu wecken. Mit meinem 1300kcal Porridge und einem Kaffee fühle ich mich wieder halbwegs gestärkt.
10 Km am Nedre Dalåni entlang
Die ersten 10km begleitet mich der Nedre Dalåni, welcher aus dem Fyresvatnet fließt.
Es ist regnerisch, nur ab und zu lässt sich heute die Sonne blicken. So ist heute der Schirm ganztägig im Einsatz. Einer meiner Lieblingsausrüstungsgegenstände. Kopf und Oberkörper bleiben trocken; einfach schön dieses ständige Dach über dem Kopf.
Skredvatn und Skredheii
Irgendwann biegt der Fluss ab. Ich mache es ihm eine Stunde später nach und wandere südöstlich am Skredvatn entlang.
Rechts der See und links die Skredheii mit 958m, welche heute zumeist von Wolken umgarnt wird.
Das wirkt bedrohlich und als ich an einem kleinen Bach Mittagspause mache, regnet es sich richtig ein.
Ich liege unter meinem Tarp. Ich esse mein Couscous mit Gemüse und trinke einen Pfefferminztee. Den Topf schiebe ich danach in den Regen und überlasse ihm den Abwasch. Wie der Regen so schön auf mein gespanntes Tarp prasselt, schlafe ich satt und aufgewärmt ein. Die kurze Nacht trägt natürlich auch dazu bei. Nach einer Stunde werde ich wieder wach – es regnet nicht mehr. Die kurze Regenunterbrechung nutze ich zum Einpacken und setze meine Wanderung fort.
Wasserkraftwerk Åmdals Verk
Die Straße zum Wasserkraftwerk zieht sich wie Kaugummi. In unzähligen steilen Kurven geht es hinauf. Schließlich erreiche ich das unscheinbare Gebäude von Åmdals Verk. Richtung Svingen geht es durch ein kleines Tal sogar noch höher. Zu meiner Müdigkeit gesellt sich nun auch Lustlosigkeit. Es scheint kein Ende in Sicht, als ich schließlich den höchsten Punkt erreicht habe und ein Straßenschild signalisiert, dass es nun steil hinunter nach Dalen geht. Hier heulen die Motoren der Autos, entweder weil sie abwärts bremsen oder weil sie sich aufwärts hochquälen.
Dalen – der Name ist Programm
Mit nassen Schuhen und nassen Socken auf Asphalt steil bergab ist eine Kombination, die wie für neue Blasen an meinen Füßen gemacht ist. Nachdem es im Fjell matschig-weich war, ist dies nun das schmerzhafte Gegenprogramm. Zudem wird die Muskulatur bergab auf ungewohnte Art stark belastet.
Von Dalen ist nichts zu sehen, ganz wolkenverhangen ist es hier. Einige Serpentinen später ersetzt Nebel den Wolkenvorhang.
Alles schiebt bergab, ich gehe im Bremsgang. Mit vielen kurzen Tippelschritten versuche ich die Kräfte abzufedern. Dies tue ich über eine Stunde lang non-stop, als ich den Ortseingang von Dalen erreiche.
Dalen – das tiefe Tal
Ich bin froh, endlich das tiefeingeschnittene Tal (Dalen) erreicht zu haben. Der Telemarkkanal hat diesem Ort zu Wohlstand verholfen. Über den Kanal wurde früher Holz aus der Telemark nach Oslo gebracht. Die einzige Verbindung in das verschlungende und sonst abseitig gelegene und waldreiche Gebiet der Telemark. Den Höhenunterschied überwindet der Kanal mittels zahlreicher Schleusen.
In Dalen beginnt oder endet der Kanal, wie man es eben sehen möchte. Heute ist eine Schifffahrt auf dem Kanal eine touristische Attraktion. Und ein Fahrradweg führt auch daran entlang – durch spektakuläre Landschaft.
Tankstelle mit Burgerbraterei
Mittlerweile ist es schon nach 20 Uhr und ich habe seit Mittag nur noch kleine Zwischenmahlzeiten gehabt. Am Ortseingang komme an eine Tankstelle. In Norwegen sind die Tankstellen fast immer auch mit einer Frittenbude oder Burgerbraterei ausgestattet. So auch hier. Ich bestelle den Dalen-Burger, dazu gibt es immer einen Softdrink, den ich mir aus dem Kühlschrank nehme. Es gibt Sitzecken im Stil eines American-Diner. Ich lege Rucksack, Stöcke und Regenbekleidung ab und verschlinge den leckeren Burger.
Dalen Camping ausgebucht
Noch etwa 1 Kilometer weiter komme ich an meinem Tagesziel an, dem Dalen Campingplatz. Hier möchte ich nach knapp 40 Kilometern ein Zimmer buchen. Die Rezeption ist bereits geschlossen, ein paar Gäste streifen aber umher. Ich frage eine Frau, die allerdings weder norwegisch noch englisch spricht. Sie ist Französin und so versuche ich mich in französisch. Lustigerweise fallen mir dabei immer wieder norwegische Wörter ein. Sie meint, ich könne ja einfach ein Zimmer nehmen und morgen alles Weitere klären. Zunächst spreche ich dem Besitzer auf die Mailbox.
Danach gehe ich den langen Gang an den Zimmern vorbei. Alle scheinen belegt zu sein. Ich komme in einen Aufenthaltsraum, der gut gefüllt ist. Ich erzähle von meiner Norwegendurchwanderung und dass ich ein Zimmer benötige.
Leider ist heute alles ausgebucht, erfahre ich. Diese 20-köpfige Motorradgruppe hat alle Zimmer belegt. Die Gruppe kommt einmal im Jahr an nur einem Wochenende nach Dalen. Und zwar genau heute.
Dalen B&B
Etwa 400 Meter weiter gibt es ein Bed and Breakfast, ich solle es dort versuchen. Da dies die einzige weitere Unterkunft ist, mache ich mich dorthin auf. Nun, die einzige weitere Unterkunft ist nicht ganz richtig: Es gibt noch das luxuriöse Dalen-Hotel direkt nebenan. Für heute möchte aber ich keinen Luxus (3000kr/ÜN)…
Ich werde freundlich empfangen und beziehe erledigt mein Zimmer. Die Füße brennen, ein paar neue Blasen haben mir die heutigen 40km eingebracht. Dafür habe ich Dalen wie geplant in 2 Tagen erreicht.