Glockenspiel um 6 Uhr
Ein fernes Geläut mischt sich in meinen Traum. Jetzt wird es lauter, immer klarer. Ich werde wach und merke: Das Geläute ist noch immer da. Und dann: Möööööhh!
Schafe nähern sich meinem Zelt. Jedes Schaf trägt ein Glöckchen. Ich öffne meine Apside. Etwa 30 Meter von mir entfernt steht der Vorsitzende dieses Musikvereins, dahinter nähern sich seine Glockenspielerkollegen.
Mit meinem Zelt stehe ich offensichtlich im Esszimmer der Herrschaften; nach kurzer Meckerei zieht die Kapelle friedlich weiter und ich schlafe noch einmal ein.
Zum Kvåsfossen
Ich verlasse die Straße und wandere einen verwunschenen Weg zu einer seltenen Sehenswürdigkeit in Südnorwegen: Zum Wasserfall von Kvås

Ab Jåddan beginnen die Füße zu jammern
Der Wind ist nicht mehr ganz so kalt. Und die Sonne scheint intensiv – mit Sonnencreme kann ich das Schlimmste verhindern. Mit meiner Süd-Nordrichtung habe ich die Sonne fast immer im Rücken – ich bekomme einen leichten Sonnenbrand im Nacken.
Nicht ganz so glimpflich kommen meine Füße davon. Immer häufiger muss ich nun Pausen einlegen. Schuhe aus, Wandersocken aus, Linersocken aus. Es kommen neue Blasen hinzu und die alten weiten ihr Gebiet aus. Autsch.
Vorsicht ist nicht immer besser
Mit Polsterpflastern, Tape und Allem was die Fusspflegeindustrie hergibt sind meine Füße zugekleistert. Insbesondere die extrem gut klebenden Compeed Pflaster hatte ich genutzt, um die potenziellen Blasenzonen vorab zu bekleben.
Fatalerweise haben sich die Ränder dieser Pflaster mit meinen feinen Linersocken verbunden und sich so etwas aufgerollt. Und hier bekomme ich die Blasen. Mitten unter dem Fußballen, auf ganzer Fläche, in ganzer Breite.
Eierlauf
Ich weiß nicht wie ich auftreten soll, um die heiklen Stellen zu entlasten. Das führt zu einem Eierlauf, der wiederum muskuläre Probleme bereitet. Es wird immer schlimmer. Und es kommt noch viel schlimmer.
Snartemo – wo kann ich übernachten?
Ich schleppe mich zum Ortszentrum von Snartemo und denke noch: Hier schlägst du jetzt dein Zelt auf. Zwar etwas früh für den heutigen Tag, aber du kannst dich dafür intensiv um deine Füße kümmern.
Aus irgendeinem Grund gehe ich weiter. Gleich hinter dem Bahnhof geht es steil bergauf. Der Zug fährt durch den Berg (Tunnel), ich muss drüber. Erst ist es eine Art Traktorvei, durchsetzt mit großen Steinen, dann endet der Weg. Ab hier soll es laut Karte einen Pfad geben. Hmm. Da ist aber keiner.

Kuhduell
Ich gehe steil bergauf über eine Wiese. Wiese, haha. Große Steine ragen überall heraus, dazwischen vereinzelt ganz dicke Grasbüschel und – Sumpf!
Ich versuche von Stein zu Stein, von Grasbüschel zu Grasbüschel zu gelangen. Die Büschel sind wackelig, jedes Abrutschen ist wegen der Blasen schmerzhaft. Ich sinke knöcheltief ein. Mit nassen Füßen reiben Socken und Schuhe noch mal so schlimm.
Dann höre ich wieder Geläut, allerdings ein Klang von deutlich größeren Instrumenten. Wie aus dem Nichts kommen 3 Kühe bergab auf mich gestürmt – auch ihr Tonfall klingt wenig harmonisch.
In diesem Gelände kann ich aber gar nicht flüchten. Wohin auch? Bergab mit dem schweren Rucksack und mit Füßen voller Blasen – jeder Schritt schmerzt.
Die Anführerin bleibt abrupt vor mir stehen. Was nun? Ein Bluff? Ich sehe wie sie Ihre Ohren aufstellt, ich habe das Gefühl, dass sie gleich ernst macht!
Meine letzte Chance – ein Bluff meinerseits getarnt als Gegenangriff. Ich stelle mich auf einen Stein, recke beide Trekkingstöcke an den ausgestreckten Armen in den Himmel und mache das animalischste Geräusch, das mir einfällt. Gleichzeitig mache ich eine schnelle Bewegung nach vorne.
Der Bluff funktioniert. Die Kuh rennt euterschwankend den Berg hoch wie ich es noch nie gesehen habe. Die Gefolgschaft hastet verängstigt hinterher. Bäähm!
Zu schräg zum Zelten
Ich stehe mitten im Berg, ohne Weg, ohne Zeltmöglichkeit, meine Wasserflaschen sind leer. Ich schlage mich kraxelnd 100 Meter auf einen steilen Weg, der mich etwas von meiner Route abbringt.
Nach jeder Biegung hoffe ich auf ein Plateau – vergeblich. Jetzt höre ich 30 Meter unterhalb des Weges einen Bach rauschen. Nur ein Schräghang trennt mich vom frischen Nass. Doch brauche ich 10 Minuten für 30 Meter! Unglaublich. Am Bach Filter ich mit dem Sawyer das Wasser und Fülle alle Flaschen auf.
Wieder auf dem Weg geht es nur steil bergauf, links eine steile Felswand rechts hängt das Gelände runter. Irgendwann muss doch mal ein Plateau kommen. Ich will endlich mein Zelt aufschlagen und Feierabend machen.
Auf der Karte erkenne ich einen kleinen Punkt. Vielleicht ein Schuppen, eine Scheune oder ein Kuhstall!
Irgendwann bin ich an diesem Kartenpunkt. Dort steht ein verrosteter Bagger und ein alter Bauwagen. Der ist offen, steht aber so schräg, dass er mich spontan an das schiefe Haus im Phantasialand erinnert.
Neben dem Bagger ist es fast eben, hier baue ich mein Zelt auf, esse etwas und schlafe mit pochenden Füßen sofort ein.