Nach dem etwas kargen Frühstücksbuffet – es dauerte etwas länger, satt zu werden – packe ich zusammen und breche auf. An der Rezeption frage ich vorher noch nach der besten Aufstiegsmöglichkeit in die Hardangervidda. Ich solle über den Serpentinenweg, der unter der Krossobahn verläuft, hochgehen. Der sei zwar anstrengend, aber breit und gut zu gehen. Also gut.
Ryes Vei – 21 Serpentinen
Wenn der Weg gut zu gehen ist, denke ich, wechsle ich auf meine Joggingschuhe. Das mache ich an einer Parkbank in Rjukan, als mich ein Mädel anspricht, die ebenfalls die lange Tour geht. Pauline heißt sie und hat mich an meinem Regenschirm erkannt. Wir reden kurz miteinander und sollen uns schon bald wiedersehen…
Die Krossobahn liegt an Rjukans Ortseingang, den ich bereits gestern passierte. An der Talstation angekommen, habe ich bereits 100 Höhenmeter gemacht. Eine Infotafel verrät hier, dass der Aufstieg 4km lang ist, sich auf 21 steile Serpentinen verteilt und dabei 500 Höhenmeter überwunden werden. Der Weg sei geeignet für Menschen in Form. Wir werden sehen, wie ich mich halte.
Zu Beginn überlege ich mir, ob ich die Serpentinen zählen soll oder nicht und falls ja, diese vorwärts oder rückwärts zählen soll: Noch 20, noch 19, usw. oder eher: schon 1 geschafft, schon 2, usw. Nach der ersten Serpentine sind meine Überlegungen hinfällig, denn in jeder Kurve steht auf einem Schild, die wievielte Kurve dies war.
An die ersten 4 bis 5 Kurven kann ich mich noch erinnern. Dann falle ich in eine Art Trance – und ich erinnere mich an gar nichts mehr. Im nächsten Moment lese ich: 13 – also nur noch 8.
Ich mache eine kurze Pause, trinke die Reste aus meinen Flaschen und fülle sie an einem kleinen Wasserfall wieder auf. Über mir verlaufen die dicken Stahlkabel der Krossobahn, sonst erkenne ich durch den Nebel nichts.
Die letzten Stücke sind dann nochmal steiler als vorher, als ich in Gvepesborg an der oberen Station ankomme.
Ich folge einem Schotterweg noch ein Stück aufwärts. Dann kreuzt ein kleiner Bach; hier werde ich ein Stück wegelos aufsteigen. Doch vorher mache ich eine Pause, esse und trinke etwas und wechsle auf meine Trekkingschuhe. Zudem ziehe ich die Gamaschen an.
Als ich etwa weitere 100 bis 150 Höhenmeter geschafft habe, lasse ich die Bäume hinter mir; von jetzt an dominieren die niedrig wachsenden Spezialisten.
Schon bald habe ich den DNT- Wanderweg mit seiner roten „T“- Markierung gefunden. Der Weg ist sehr schmal und hat sich im Laufe der Zeit sehr tief in den Boden hineingefressen. So gehe ich hin und wieder links und rechts auf den flachwachsenden Heidebüschen.
Etwa alle 10 Minuten schrecke ich ein Rephuhn auf, die alle gleich gackernd-glucksend davonfliegen. Sie tragen allesamt ihr Wechselkleid: Brust und Rücken bereits im braunen Sommergefieder, die Flügelspitzen der „Rype“ aber sind noch mit dem weißen Wintergefieder bestückt.
Sonst ist jedoch nicht viel zu sehen. Im durchgängig dichten Nebel kann ich nur vermuten, dass der Ausblick beispielsweise auf den Olabunut (1229m) toll sein muss.
Am südlichen Ufer des Vaervatn angelangt, sind es nur noch rund 3km bzw. eine Stunde bis zur Helberghytta – die Hütte von Claus.
Zum Ende hin wird es matschiger und frische Fußabdrücke von mindestens 2 Wanderern kann ich erkennen, die womöglich auch zur Helberghytta gehen?
Juliane und Marcel aus Dresden
Um 16 Uhr komme ich relativ früh an der Helberghytta an. Meine erste Überlegung war, hier etwas zu kochen, eine längere Pause zu machen und dann noch etwa 2 bis 3 Stunden weiter zu wandern.
Als ich die Tür öffne, sitzt ein Pärchen am Tisch. Es sind Juliane und Marcel aus Dresden; sie sind auch gerade erst angekommen. Die beiden sind supernett, wir kommen schnell ins Gespräch und ich verwerfe meine weiteren Wanderambitionen für den heutigen Tag.
Die beiden sind bereits seit März auf Tour. In ihrer Heimat Dresden gestartet, sind sie entlang der Ostsee gewandert, anschließend durch Dänemark und mit der Fähre nach Kristiansand. Und von dort nun bis hierhin. Das sind bereits 1600 km und Beide wollen ebenfalls Anfang Oktober das Nordkapp erreichen.
Und noch mehr Besuch
Nach 2 Stunden betritt jemand Weiteres die Terrasse der Helberghytta. Es ist Pauline, die ankommt. Wir unterhalten uns nun zu viert. Sie ist auch auf dem Weg zum Nordkapp. Mit leichtem Gepäck und leichter Bekleidung friert sie nun schon seit 2 Wochen und hofft inständig auf wärmeres Wetter und auf die Zusendung einer gefütterten Hose, die sie bestellt hatte, aber noch nicht eingetroffen ist.
Jeder macht sich sein Essen. Juliane und Marcel spendieren reichlich Kaffee. Super!
Als es bereits halb 12 ist und wir Alle gerade dabei sind, uns schlafen zu legen, kommen noch 2 Norwegerinnen hereingestürmt. Sie machen sich noch leise ihr Essen und gehen dann auch zu Bett.