Der Regen lässt um 9 Uhr nach, einsetzender Wind hilft bei der schnellen Trocknung des Zeltes. Mein heutiges Tagesziel liegt nur 17 km entfernt. Ich habe im Rjukan Gjestegård reserviert und vorab mein Depotpaket dorthin geschickt.
Skardfoss und Staudammüberquerung
Zunächst gehe ich an der südöstlichen Seite des Skardfoss entlang. Es geht ordentlich auf und ab. Der nächtliche Regen hat den Weg unter Wasser gesetzt – die Sache wird beschwerlicher als erwartet.
Nach einigen Kilometern wechsle ich die Seite und gehe über den Staudamm hinüber.
Krokan-Hütte und Claus Helberg
Ich passiere die Rjukan Fjellstue und erreiche die Krokan-Hütte. Hier steht ein Denkmal zu Ehren von Claus Helberg. Bis zum heutigen Tag ist er der bekannteste Bergführer, den es für die Hardangervidda gegeben hat. Zudem ist die erste Hytte, die man von Rjukan in die Hardangervidda erreicht, nach ihm benannt: Helberghytta.
Diese außergewöhnliche Ortskenntnis hat er außerdem während des 2.Weltkrieges eingesetzt, um als Widerstandskämpfer zu verhindern, dass den Nazis der Bau der Atombombe gelang.
Schweres Wasser – Vemorks dunkle Geschichte
Ich erreiche den Maristigen. Von hier aus schaue ich tief in die Schlucht. Früher bot sich ein toller Blick auf den Rjukansfossen.
Der gewaltige Höhenunterschied wird zur Energiegewinnung durch das Wasserkraftwerk Vemork genutzt. Für die Marispelet wird ab dem 30.07. für 4 Tage der Wasserhahn aufgedreht – der Rjukanfossen ist dann in voller Pracht zu bewundern.
Zu trauriger Berühmtheit kam Vemork während des 2. Weltkriegs, als Briten und norwegische Widerstandskämpfer mit allen Mitteln versuchten zu verhindern, dass die Nazis an schweres Wasser gelangten.
Dies wurde in einer ansässigen Fabrik unter immensen Energiebedarf erzeugt. Unter anderen wird dies aber auch gebraucht, um letztendlich Atombomben zu bauen. Verschiedene Sabotageversuche scheiterten zunächst, bis schließlich unter großen Verlusten die Absichten der Nazis unterbunden werden konnten. Hollywood hat diese Geschichte vor Jahrzehnten verfilmt – am originalen Schauplatz.
Rjukan – Licht und Schatten
Nach dem Abstieg erreiche ich schließlich Rjukan. Mit 3500 Einwohnern eine größere Stadt – für norwegische Verhältnisse.
Außerdem ist Rjukan für alle Menschen aus Südost-Norwegen das Eingangstor zur Hardangervidda. Also für die Hälfte der norwegischen Bevölkerung, die nämlich in und um Oslo herum lebt.
Eine weitere, geographische Besonderheit hat die Stadt berühmt gemacht. Das enge und steile Tal in west-östlicher Ausrichtung verhindert für über 6 Monate, dass Sonnenstrahlen direkt auf Rjukan scheinen – ein echter Schattenort im südlichen Teil Norwegens.
Not macht bekanntlich erfinderisch. So hat der damals größte Unternehmer eine Seilbahn bauen lassen, die die Einwohner hinauf auf den Berg brachte, um das Sonnenlicht sehen zu können. Sozusagen vermögenswirksame Gesundheitsleistungen. Die Krossobahn gibt es bis heute.
Die andere Idee, Sonnenlicht ins Tal umzuleiten wurde erst verworfen und vor über 10 Jahren von einem Bewohner wieder aufgegriffen. So wurden auf der nördlichen Bergseite Spiegel aufgestellt, die seit einigen Jahren den Marktplatz Rjukans im reflektierten Sonnenlicht erstrahlen lässt.
Depotpaket und Essen
Ich erreiche Rjukan Gjestegård und erhalte mein Depotpaket, welches an der Rezeption bereitsteht. Nun heißt es Duschen, dann den Inhalt meines Versorgungspaketes im Rucksack verstauen und alles neu sortieren. Das Paket ist nur 8 Kg schwer, da mich nach der Hardangervidda bereits in Geilo ein neues Paket erwartet.
Danach gehe ich erst Essen und dann noch weiteres Essen im Supermarkt einkaufen. Anschließend gehe ich in den ortsansässigen Angel – und Jagdshop. Hier kann man Hundefutter kaufen, daneben hängen Armbrüste und Gewehre an der Wand, danach kommt eine Wand mit Angelausrüstung. Ich frage an der Theke nach Regenwürmern, zucke beim Preis, für die Verkäuferin kaum erkennbar, zusammen, bezahle und gehe zurück auf mein Zimmer.
Angesichts des Preises für die Würmer beschließe ich, besonders auf diese wertvollen Tierchen zu achten. Zudem gebe ich jedem Einzelnen einen Namen und stelle sie über Nacht nach draußen auf die kühle Fensterbank. Von nun an habe ich Begleitung.
Ich esse meine gesamten Einkäufe aus dem Supermarkt auf und schlafe am späten Abend ein.