Kalte und erholsame Nacht
Neuer Tag neues Glück. Die Nacht war kalt. In meiner Olivenölflasche haben sich Fetttröpfchen im Öl gebildet – es muss wohl um die Null Grad gewesen sein. Das Zelt ist durch meine nächtlichen Körperausdünstungen auch von innen nass. Glücklicherweise lag der Taupunkt außerhalb meines Quilts.
Die Sonne kommt raus – und die Füße?
Ich mache bereite mir Porridge und Kaffee zu. Zur Sonne gesellt sich ein leichter Wind. Der Quilt lüftet auf meiner Wäscheleine, das Zelt ist im Nu trocken.
Ich fühle in mich hinein. Ein kleiner Testgang auf dem weichen Waldboden in den Sealskinz fühlt sich – richtig gut an! Ich registriere nur noch Schmerzen wie bei gewöhnlichen Blasen an den Füßen. Ein echter Fortschritt!
Aufbruch nach Sveindal
Ich packe sorgfältig zusammen – das gesamte morgendliche Prozedere inklusive Frühstück, Fußpflege und Hygiene nimmt etwa 2 Stunden in Anspruch. Um halb elf geht es los.
Mit durchschnittlichen Schmerzen geht es am nördlichen Ende des Ytre Øydnavatnet vorbei. Es wird richtig warm, nur der Wind ist immer noch kühl.
Solange ich gehe, ist das angenehm. In den kurzen Pausen ziehe ich sofort eine Isolationsjacke über mein durchschwitztes Merinoshirt.
Der gelbe Engel auf einem Rad
Als ich den Øvre Øydnevatn umrunde, kommt von hinten ein Trekkingradler vorbei. Wir bleiben stehen und unterhalten uns zunächst auf norwegisch. Ich erzähle ihm, dass mich große Blasen an den Füßen plagen und heute der erste etwas bessere Tag sei. Irgendwann gestehe ich, nicht mehr Alles zu verstehen und wir wechseln auf englisch.
Rolf ist auf dem Weg zur Hardangervidda und dann wieder zurück. Ob es wohl in Byremo ein Geschäft gebe mit Pflastern, frage ich. Rolf ist überfragt, es wäre aber wohl möglich. Wir verabschieden uns und wünschen uns gegenseitig eine schöne Tour.
Etwa 15 Minuten später kommt mir ein Radfahrer entgegen. Es ist wieder Rolf. Er hat in seinen Taschen gewühlt und sein Notfallset gegen Fußblasen gefunden und ist extra wieder zu mir umgekehrt.
Er brauche es nicht mehr und ich könne es wohl besser gebrauchen. Ein echter Trailangel auf zwei Rädern! Tusen takk!
Byremo Landhandel – Rettung Teil 2
Ich erreiche Byremo und betrete den Joker Byremo Landhandel. Hier kaufe ich Mittagessen ein – und Compeed, sterile selbstklebende Wundpflaster, eine Mullbinde und ein Klebeband. Außerdem fülle ich meine Wasserflaschen auf. Ein super Service hier.
Mit den präparierten Füßen und gefülltem Magen rolle ich förmlich die Straßen entlang. Schafe und Pferde auf den Wiesen rechts und links des Weges erstarren respektvoll angesichts meiner zurückgewonnenen Energie!
In Grindheim unterhalte ich mich während einer Pause mit einer Frau, die Blumen einpflanzt. Sie wünscht mir eine gute Reise und ich ziehe weiter.
Übernachtung am Wegesrand von Sveindal
Ich halte nun bereits nach einem guten Zeltplatz Ausschau. Erst in Sveindal finde ich neben der Brücke eine Art Parkbucht: Eben, sandig (also gute Drainage) und die Heringe lassen sich trotzdem gut setzen. Noch schnell etwas Essen (Nudeln Bolognese mit Hackfleisch und verschiedenen Gemüse), dazu ein Pfefferminztee.
Jugendgefährdender Inhalt: Eine Kampfameise beißt mir in den Sack
Wie ich so liege, macht sich eine große Waldameise auf, meine ausgebreitete Tyvekfolie zu erkunden. Ich liege hier! Und weise sie zurecht. Sie stellt sich sofort in Kampfposition auf ihre Hinterbeine und zeigt mir ihre geöffneten Schneidwerkzeuge.
Die Sache scheint erledigt, als ich kurze Zeit später ein stärkeres Zwicken verspüre – da unten…
Ich greife beherzt zu, nun ist Ruhe. Das war wohl eine Tannennadel, denke ich noch. Der beißende Schmerz kommt aber umso stärker zurück.
Ich springe auf, reiße mir Hose und Unterhose in einer routinierten Bewegung hinunter in die Kniekehle und hebe mein Gebämmel seitlich weg.
Dort hat sich die kampfwütige Waldameise in meinen Sack verbissen. Der kräftige Körper ist prall gespannt, die muskulösen Beine sind abgespreizt.
Sie hängt wie im Klimmzug an mir, die furchteinflössenden Schneidwerkzeuge sind in meiner Haut arretiert.
Hier ist eine friedliche Lösung nicht mehr zu erreichen, die Fronten sind verhärtet…
Ohne Rücksicht auf eigene Verluste spanne ich pistolenartig meinen Zeigefinger hinter meinen Daumen und flitsche den Aggressor in die ewigen Jadggründe. Erleichtert sortiere ich mich, bringe wieder Alles in die gewohnte, stabile Seitenlage.
Gegen Mitternacht beginnt es zu regnen. Das sanfte Trommeln der Regentropfen auf meinem abgespannten Zelt begleiten mich in den Schlaf.