Nach der kühlen Nacht auf 1100m komme ich nur langsam in die Gänge. Erst als um 8 Uhr die Sonne mein Zelt zu stark aufheizt werde ich aktiv. Auf Höhe des Sees, etwa 500 Meter entfernt, liegt der Parkplatz für die Besucher des Snøhetta Viewpoints. Es ist Samstag und dementsprechend herrscht emsiges Treiben. Wohnmobile kommen den Berg hochgefahren, parken. Andere haben dort übernachtet und gehen jetzt das letzte Stück auf dem Fußweg zum Aussichtspunkt.

Ich packe zusammen und fülle einen Drypack mit Schokolade, Wasserflasche und meiner Drohne. Ich gehe bis an den Fußweg querfeldein, lege den Rucksack ab und gehe nur mit Drypack nach oben.

Ein bekanntes Architekturbüro hat sich nach dem 2287 Meter hohen Snøhetta Gipfel im Dovrefjell-Sundalsfjella nasjonalpark benannt und den Viewpoint ebenfalls. Er liegt auf dem Tverrfjellet und bietet einen enormen Weitblick hinüber bis zur Snøhetta. In dem zu Fusse liegenden Tal halten sich oft die für den Nationalpark berühmten Moschusochsen auf. Einmal meine ich, einen Punkt zu entdecken, der sich in der Landschaft bewegt. Sicher bin ich mir aber nicht.

Der Aussichtspunkt alleine ist absolut sehenswert: Von außen ein riesiger rostiger Quader mit einer etwa 12 x 3,5 Meter großen Panoramafensterscheibe zur Snøhetta ausgerichtet.


Innen ein glatter, spiegelnder Boden, eine aus Holz geschwungene Sitztribüne sowie ein freischwebender Kamin, in dem wohligwarm ein Feuer lodert.
Nach einer besinnlichen Stunde gehe ich zurück zu meinem Rucksack, schnalle ihn auf und starte meine Tagesetappe. Ich möchte heute bis zu den Seen unterhalb der Råtåsjøhøi (1583m) kommen.
Der Elch von Kvitdalen
Schnell bin ich an Hjerkinn Fjellstue angekommen. Hier steige ich ein Stück auf und gehe Richtung Kvitdalen. Der angenehm weiche Schotterweg unterhalb der Hjerkinnhøe macht richtig Spaß. Der Weg wird begleitet von vielen kleinen Seen, manche nur etwa 50 Meter lang. Und überall springen die Forellen wie wild. Unfassbar.
Es ist bereit 15 Uhr als ich den Søre Kvitdalsvatnet ansteuere, um dort Mittagspause zu halten. Etwa 500 Meter davor geht es kurvig bergab. Am Ende der Kurve ragt etwas großes Braunes aus dem Gebüsch. Was ist das? Eine Kuh? Es bewegt sich nicht. Ich gehe weiter und komme näher.
Für eine Kuh viel zu groß. Der Kopf ist fast doppelt so lang. Jetzt erkenne ich das Tier: Ein Elch! Aber er bewegt sich immer noch nicht. Vielleicht eine Attrappe oder eine Art Reklamewegweiser nach Kvitdalen?
Ich mache die Kamera bereit und steuere weiter auf den Elch zu. Jetzt bewegt er sich! Eine riesige Elchkuh! Und sie dreht sich in meine Richtung! Oha! Nur noch 50 Meter. Ich beschließe, laut auf mich aufmerksam zu machen, klappere mit den Stöcken und huste laut. In diesem Moment schreckt die Elchkuh auf und stürmt zurück ins Dickicht.

Es gibt hier starken Gegenwind und so vermute ich, dass sie mich zunächst weder hören noch riechen konnte. In den letzten Jahren bin ich nur derart nah an einen Elch gekommen, wenn zwischen uns ein sumpfiger See gelegen hatte und der Elch gerade Wasserpflanzen frass. Ein schöner Moment.
Direkt am See baue ich mein Tarp windschützend auf. Während der Wassertopf auf dem Kocher steht, werfe ich meine Angel aus und lege mich hin als mein Schwimmer sofort unter Wasser gerissen wird. Ich springe wieder auf und lande ein hübsche Bachforelle, die ich mir aber zu klein ist. Ich werfe erneut aus, gehe die 5 Meter zurück zu meinem Tarp als der Schwimmer schon wieder verschwindet. Die nächste Forelle. Da das Wasser im Topf zu kochen beginnt, beende ich die Angelei – ein entspanntes Mittagessen ist doch so nicht möglich!
Nach dem Essen und einem kleinen Nickerchen setze ich die Wanderung fort. Hinter Kvitdalen, einem verträumten kleinen Bauernhof, folge ich nun einem schmalen Weg. Es scheint mehr ein Tierpfad zu sein als ein Wanderweg.
Der Weg führt mich auf der Westseite des Fykfældalen unterhalb der Hemmtjønnshøa vorbei – immer auf etwa 1100 Meter Höhe bei sehr starkem Gegenwind.

Auf Höhe der Råtåsjøhøi mache ich im Windschutz einer Hütte eine Rast. Hier liegt ein größeres, zusammenhängendes Seensystem. Mein Tagesziel habe ich bereits erreicht, doch bläst der Wind zu stark und eine gute Zeltplatzstelle kann ich nicht ausmachen.

So wandere ich durch das Sandbekken, eine bizarre Landschaft mit vielen großen Stufen, fast wie künstlich angelegt. Hier finde ich eine gute Stelle: Ein Bach etwas unterhalb ist erreichbar, eine erhöhte, windgeschützte Stelle und doch genug Wind, um Kondensationsprobleme zu vermeiden, relativ gerade Fläche und eine schöne Aussicht.
