Ich bin zeitig wach. Der kalte Wind bleibt mein heutiger Begleiter. Ob sich noch Jemand dazugesellt?

Ich wandere um den Bergetjønne und stosse nach kurzer Zeit wieder auf den Schotterweg Richtung Spranget, dem Parkplatz vor dem Rondane Nationalpark. Aus der Ferne sehe ich einen einzelnen Wanderer auf der Strasse. Als ich näher komme und er etwas aus seinem Rucksack kramt erkenne ich ihn – es ist Jelle.

Das erste gemeinsame Bier
Auf dem Weg zur Rondvassbu erzählen wir uns von unseren bisherigen Wandererlebnissen und lachen die ganze Zeit. Ich erzähle ihm von meinem Absturz mit anschließender Rutscheinlage auf einem Schneefeld zwischen Iungsdalshytta und Bjordalsbu und erzähle ihm, das wohl einen Tag vorher einem anderen Wanderer wohl das Gleiche passiert sein muss. Die Spuren deuteten jedenfalls darauf hin. Er beginnt zu lachen und erzählt, dass dies seine Spuren gewesen seien und beschreibt wie es zu seinem Sturz kam.
Wie wir uns so kurzweilig unterhalten vergeht die Zeit wie im Flug. Da kommt auch schon die Rondvassbu Hütte in Sichtweite. 10 Kilometer wie nichts!

Wir betreten die bewirtschaftete Hütte, stellen die Rucksäcke ab, ziehen unsere Schuhe aus und finden einen gemütlichen Platz in einer Sofaecke. Die haben wir schnell für uns allein – Jelle meint, das liege wahrscheinlich an seinen Füßen. Und tatsächlich – dieser Odeur ist selbst für Wanderer speziell. Er trägt ein sehr hohes und schweres Meindl-Modell, das bereits ein paar Tausend Kilometer auf dem Tacho hat. Dort vollzieht sich also der Reifeprozess mit folgenschwerem Aroma.
Ich esse eine Waffel und wir beide genehmigen uns ein Bier. Als wir anstoßen nehmen wir nicht etwa einen großen Schluck. Wir trinken vorsichtig nippend unser Bier – angesichts des Preises das typische Trinkverhalten für nicht-norwegische Wanderer…
Münzwurf
Jelle möchte durch das Illmanndalen nach Osten zur Bjørnhollia Hütte weiterwandern, um von dort Richtung Tynset aus der Rondane auszusteigen und weiter nach Røros gehen. Meine ursprüngliche Idee bestand auch darin, durch das Illmanndalen zu wandern. Hier wollte ich angeln und nach der Bjørnhollia Hütte jedoch diagonal in nordwestlicher Richtung zur Dørålseter Hütte zu gelangen und zum Dovrefjell Nationalpark wandern. Angesichts der Minusgrade habe ich meine Angelpläne für das Illmanndalen verworfen und könnte mir deshalb diesen Schlenker von 25km sparen. Ich bin unentschlossen, haben Jelle und ich doch seit mehr als 2 Wochen versucht, uns zu treffen. Jetzt könnten wir zumindest einen ganzen Tag zusammen wandern. Da hilft nur ein Münzwurf, meint Jelle. Stimmt.
Der erste Wurf landet auf meiner Handfläche und zeigt Kopf – also kein Schlenker und getrennte Wege. Ich meine, es gilt best of 5. Also noch zwei Versuche, mindestens. Die beiden weiteren Versuche sind aber auch Kopf! Ist die Münze manipuliert, scherze ich. Da fällt mir auf, dass ich den Münzwurf nicht korrekt ausgeführt habe. Nach dem Auffangen in der Handfläche fehlte stets die 180-Grad-Drehung auf den Rücken der anderen Hand. Damit wäre es ein 3:0 für das Illmanndalen und Bjørnhollia! Ich versuche es erneut – und Zahl ist oben! Bjørnhollia!
Wir lachen uns schlapp – unser Plan steht fest: Wir gehen gemeinsam zur Bjørnhollia und angeln auf dem Weg dorthin.
Maybe behind the next hill
Als wir aufbrechen hat der kalte Wind nochmals zugelegt und fegt durch das Illmanndalen – ein einziger Windkanal.

Nach einem kurzen Flussstück kommt ein kleiner See, dann wieder Fluss, usw. Das Ganze schlängelt sich durchs Tal, kleinere Hügel lassen immer wieder hoffen, einen Windschutz zu finden. An ein Angeln ist aber nicht zu denken. Ich sage nach dem ersten See: ‚Maybe behind the next hill‘. Das wird nun zum running gag. Denn nach jedem kleineren Hügel scheint der Wind stärker. Ein anderes Mal ist der See noch von Schneeresten umsäumt. Hier beisst kein Fisch.

Die letzten Kilometer zur Bjørnhollia ziehen sich, erst kurz vor Schluss bekommt man sie zu Gesicht.
Wir kaufen uns noch ein Bier, entscheiden, auf einer Zeltwiese unsere Zelte aufzubauen und kochen. Ich koche Jelle eine Mischung meines Spaghetti Bolognese Gerichts, das eine gewisse Grundschärfe besitzt…
Wird wird‘s Jelle richtig warm, er tauft das Gericht Spaghetti Bolognese F16.
Der Tag trudelt aus und um 22 Uhr liegt jeder von uns in seinem Zelt.