Am Morgen versuche ich, die Lebensmittel aus meinem Depotpaket in meinen Rucksack zu quetschen. Am Ende passt es natürlich wieder, doch der Gewichtsschock beim Aufsatteln ist wieder einmal enorm. Ich hatte meine Kleidung gewaschen und mich geduscht. Ich fühle mich also wie bei einer kleinen neuen Tour. Ich verabschiede mich von Bjørn Sæta und meinem niederländischen Nachbarn – dann gehe ich nach Otta zur Sportsbutikk. Dort werde ich eine neue Angel kaufen.
Überraschung in Otta
Es gibt einen Fahrrad-und Fussgängerweg nach Otta, der als Olavsweg gekennzeichnet ist und den Fluss begleitet.

Die Sportsbutikk ist schnell gefunden. Als ich vor dem Geschäft meinen Rucksack absetze, kommt von der anderen Seite ein etwa 2 Meter grosser Wanderer in Riesenschritten auf mich zugeeilt und lächelt schon von Weitem.
„Hey, Sven, I‘m Jelle!“
Was für eine Überraschung! Er hat über mein Live- Tracking gesehen, dass ich nach Otta komme, wo er Proviant gekauft hat. Wir verstehen uns auf Anhieb, erzählen, lachen und tauschen uns aus – da sind auch schon fast 2 Stunden um. Er wird über Sel hoch nach Mysusæter in den Rondane Nationalpark aufsteigen. Das ist ein guter Plan und so werde ich auch diese Route wählen. Wir machen aus, dass wir uns oben wieder treffen – denn wir müssen auf jeden Fall ein oder 2 Bier zusammen trinken. Wir verabschieden uns, er geht los und ich ins Geschäft.
Schweißtreibend nach Mysusæter
Die Rutenauswahl ist überschaubar, ich suche eine möglichst weiche Spinnrute (5g – 20g Wurfgewicht), etwa 2,70m lang und teleskopierbar für einen leichteren Transport. Die einzige teleskopierbare Rute mit niedrigem Wurfgewicht (10-35g) ist 2,40m lang – also kaufe ich sie.

In Sel steigt dann die Schotterstrasse (grusvei) auf Richtung Mysusæter. Ein Fluss begleitet den steilen Aufstieg.

Irgendwann überquere ich ihn über eine Brücke und denke noch, dass es doch nicht ewig so steil aufwärts gehen kann. Da erhöht sich die Steigung nochmals. Trotz kühler Temperaturen läuft der Schweiss unaufhörlich – ich habe nur das Netzunterhemd an. Auch gibt es keine Windkühlung.
Dies ändert sich, als ich in Mysusæter endlich ankomme. Puh! Ich habe ziemlich aufs Tempo gedrückt und bin mit vollem Rucksack von 290m auf 900m Höhe aufgestiegen! Das hat enorm geschlaucht, doch Jelle konnte ich nicht einholen, ist er gerannt? Ich gehe weiter Richtung Spranget. Dort beginnt der Rondane Nationalpark und ein großer Parkplatz ist dort vorhanden.
Heute Nacht wird‘s kalt, sehr kalt
Ich schicke eine Nachricht. Sofort kommt die Antwort, dass er in Mysusæter in ein Wanderheim eingekehrt ist, als er ein Schild mit ‚Pizza‘ gesehen hat. Jelle ist nämlich käsesüchtig, wie er selbst sagt und konnte einfach nicht widerstehen.
Ich bin bereits ein Stück daran vorbei und suche nun einen geeigneten Zeltplatz. Hier auf knapp 1000m ist es deutlich windiger und es wird ziemlich kalt. Ich prüfe den Wetterbericht: Gefühlt -10 Grad heute Nacht, auch aufgrund eines starken Nordwestwindes!

Bevor der Weg über kahle, offene Fläche schnurgerade auf Spranget zuläuft, biege ich westlich ab Richtung Bergetjønne, einem kleinen See auf 974m. Auf seiner Westseite befinden sich windschützende Hügel – ich möchte mich dort für heute Nacht verstecken.

Ich habe Glück und finde nur 30 Meter vom See entfernt und leicht erhöht zwischen einzelnen Birken eine weiche und ebene Fläche. Hier habe ich halbe Deckung vor dem Wind, der durch eine Schneise über den See bläst. Sicherheitshalber spanne ich noch Sturmleinen ab, koche und schaue aus meinem Zelt heraus auf den See. Dort versuchen 2 Jugendliche ihr Anglerglück. Sie packen aber schnell ein, als der kalte Wind immer stärker über den See fegt und Auswürfe mit ihren Gerätschaften nicht mehr möglich sind.
Um 23h sind es schon nur noch 0 Grad, als ich einschlafe.