Als ich wach werde, fällt mein erster Blick auf das kleine Loch im Zelt. Ich werde versuchen, den Stoff um das Loch herum mit Klebeband von der Innenseite zusammenzuhalten und mit einem Kleber auf Silikonbasis die Außenseite abzudichten. Möglicherweise habe ich Kleber in einem meiner nächsten Versorgungspakete zusammen mit einem kleinen Reparaturset eingepackt, ich weiß es nicht genau. Das Klebeband aus meinem Rucksack hält jedenfalls nicht auf der Innenseite des Silpoly- Stoffes.
Immer mehr Mücken
Also geht es erst einmal mit Loch im Zelt weiter. Es bleibt heute morgen windarm und die Temperaturen steigen auch – oder kurz gesagt: Die Mücken feiern diese Kombination mit einem Angriffsfestival. Das ist für mich zwar etwas überraschend – schließlich wandere ich auf knapp 1100 Meter Höhe und die Nächte liegen noch um den Gefrierpunkt – doch ganz unvorbereitet bin ich nicht. Ich trage mein Mückenspray auf und dem Festival fliegen alsbald die Besucher davon.
Treffpunkt mit Jelle in Tyinholmen
Ich hatte ein Bild des Tyin mit gestriger Abendstimmung auf Instagram gepostet. Zufällig schaue ich in einer Snackpause auf mein Handy und sehe eine Nachricht von – Jelle!
Er hat mein Bild gesehen, ist aktuell auf der gegenüberliegenden Seeseite. Da wir ja irgendwie und irgendwann irgendwo zu einem Bier verabredet sind, nun scheint die Gelegenheit günstig. Ich schlage eine ausgiebige Bierpause…äh, ich meine natürlich Mittagspause in der Fondsbu – Hütte vor. Ich freue mich schon auf Bier und Burger zusammen mit Jelle, als Jelle anmerkt, dass die Fondsbu erst in ein paar Tagen öffnet.
Ich recherchiere kurz und bringe in Erfahrung, dass hingegen die Tyinholmen – Hütte bereits geöffnet hat. Sie ist eine der größten DNT – Hütten überhaupt.
Ich könne in weniger als einer Stunde dort sein, schreibe ich ihm. Jelle ist allerdings noch etwa 8 km entfernt und auf der Westseite, welche schwieriger zu wandern ist. Er gebe alles, um in 2 Stunden dort zu sein, postet er mir.
Bester Service auf Tyinholmen
Ich kehre nach 45 Minuten in Tyinholmen ein, werde von der Hüttenwirtin sehr nett empfangen. Ob ich etwas zu essen haben könne, frage ich. Sie schlägt mir vor, ein Spiegelei auf einem dicken Burgerpatty und einer dicken Scheibe Brot mit gebratenen Zwiebeln zu machen, dazu Salat. Und weil ich weitwandere – die doppelte Portion. Prima!
Ein junger Koch – wie aus dem Ei gepellt in reiner, weißer Kochbekleidung, bringt mir die wirklich leckere Portion. Ein Foto davon geht gleich an Jelle.

Ich sitze leicht müffelnd in Socken alleine im großen Restaurant und trinke dazu soviel Kaffee wie ich möchte. Klasse!
Da ich mein Zelt noch etwas feucht eingepackt hatte, lüfte ich es nun auf der Terrasse ausgebreitet. Bei dieser Gelegenheit frage ich nach Tape für mein Zeltloch. Die Chefin schickt einen Koch los, überall nach Kleberollen zu suchen. Schließlich erhalte ich 3 Sorten zur Auswahl. Von einem blauen Band, das sehr gut klebt, nehme ich ein Stück und bessere die Lochstelle aus.

Nur ganz knapp verpasst
Ich trinke weiter Kaffee und warte noch eine Weile auf Jelle. Nach 2 Stunden breche ich jedoch auf. Er ist noch eine bis 1,5 Stunden entfernt. Schade, dass wir uns so knapp verpassen. Aber das wird schon noch klappen. Ich möchte noch zur Fondsbu weiter. Vorher bezahle ich noch mein Essen und Kaffee und Wasser – nur 100 Kronen insgesamt!
Bevor ich weiterwandere kündige ich der Hüttenwirtin noch Jelles Ankunft an. Da käme gleich ein durstiger und hungriger Wanderer aus den Niederlanden, der auch zum Nordkapp unterwegs sei. Sie solle ihm doch bitte auch eine solche Portion wie mir zubereiten lassen. Sie lacht, freut sich schon auf ihm und ich ziehe weiter.
Extraschicht: Von Fondsbu nach Gjendebu

Bis Fondsbu ist es gar nicht weit und so beschließe ich – frisch gestärkt – direkt noch die ganze Tagestour hinüber zur Gjendebu anzuhängen.

Diese ist allerdings mit 5,5 Stunden Wanderzeit angegeben und als anspruchsvoll charakterisiert.
Zunächst geht es ein Stück am Bygdin entlang. Dieser lange See gibt zusammen mit den schroffen Bergen des Jotunheimen ein Panorama zum Genießen ab. Hier am Ufer treffe ich ein Fotografenpärchen, danach zwei Schweizerinnen. Beide wandern für 3 Wochen in dieser Gegend zusammen, bevor Eine der Beiden abreist und die Andere nochmals 3 Wochen dranhängt. Kurz vor dem Høystakkane (1359m) – einem markanten Knubbel im Felsmassiv – steigt der Weg auf und geht hinüber nach Gjendebu.

Gjendebu liegt am See Gjende, der im Grunde genauso aussieht wie der Bygdin, parallel dazu verläuft, nur eben ein Tal weiter nördlich. Das Stück zwischen Aufstieg und Abstieg verläuft ohne große Höhenunterschiede. Hier treffe ich auf mehr Wanderer innerhalb von einer Stunde als während meiner gesamten bisherigen Tour. Das Jotunheimen- Gebirge wird stark bewandert und die Route „Gjendebu – Memurubu – Besseggengrat – Gjendesheim“ ist besonders stark frequentiert.
Der Abstieg nach Gjendebu durch das Veslådalen motiviert mich besonders. Denn mit jedem Meter öffnet sich das Tal etwas weiter und gibt den Blick ein Stückchen mehr frei über den langgestreckten Gjende. Heute ist besonders gutes Wetter und so begeistert mich dieser Abstieg trotz Anstrengung. Schließlich geht es noch an der Gjendetunga vorbei (1516m), über einige Flüsse hinunter zur Gjendebu.

Ich gehe allerdings an der Gjendebu-Hütte vorbei. Hier ist viel los. Zum Schlafen ist dies nicht mein Fall und das Wetter schreit nach einer weiteren Zeltnacht. Am Ufer entlang sind Zeltplätze nach der Gjendebu mit Schildern nummeriert! Und hier stehen bereits sehr, sehr viele Zelte. Ich nehme die letzte „Box“, dahinter kommt keine weitere Zeltmöglichkeit mehr.

Routiniert wie eh und je baue ich mein Zelt auf und verzichte darauf, ein weiteres Loch in mein Zelt zu stechen, auch wenn der Symmetriegedanke eindeutig dafür spräche…
Und wie geht es Jelle?
Ich schaue auf die Uhr und stelle fest, dass ich die Strecke von Fondsbu nach Gjendebu in weniger als 5 Stunden absolviert habe, inklusive einiger Smalltalks und Fotopausen. Ich bin überrascht.
Um 10 Uhr habe ich gegessen und bevor ich in meinem reparierten Zelt einschlafe, schicke ich Jelle noch eine Nachricht: Wie denn das Essen in Tyinholmen war? Er antwortet gleich und erzählt, dass er exakt das Gleiche bekommen hat wie ich. Wir witzeln noch eine Weile, dann schlafe ich endgültig ein.